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Professor Dr. Matthias Ochs eröffnete mit seinem Vortrag „Forschung im Kontext von MFT – Stand, Herausforderungen und Perspektiven“ die Tagung. Respektvoll hörte ich ihm zu, wie aufwendig es wohl war, überhaupt herauszufinden, welche Studien es zur MFT gibt und durch welche er sich hindurchgearbeitet hat. Vielen Dank für diese Mühe, die ich als Praktikerin sehr zu schätzen weiß! Ein wenig enttäuschend das Resümee dieser Recherche: MFT ist nicht wirksamer als Einzeltherapie, von mir erhoffte Ergebnisse, die in meinen MFT – Kontexten erfahrene komplexe Wirkkraft sowohl für Familien als auch für MitarbeiterInnen wissenschaftlich belegt zu wissen, waren nicht zu finden. Ein erneuter impliziter Apell an uns Praktiker, unsere Arbeit wissenschaftlich begleiten zu lassen und sich an eigene Forschungsprojekte heranzuwagen!
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Am Donnerstag Morgen geht es weiter mit wertschätzenden und informativen, kontextbezogenen Grußworten der Schulrektorin und Gastgeberin unseres Tagungsortes des Mariengymnasiums und des Bürgermeisters der Stadt Essen. Inhaltlich startet der Tag mit einem lustmachenden Vortrag von Rainer Schwing zu dem Thema „Liebe, Neugier, Spiel“. Er macht anschaulich deutlich, wie wenig nützlich RCT – Studien für solch komplexe Vorgänge wie MFT sind und nimmt uns mit auf eine Reise über Sindelfingen, Berkeley, Silicon Valley, Berlin, Roseto Pennsylvania und Frome UK.
Die Liebe ist ein biologisches Bedürfnis und sie sorgt bei guten Sozialkontakten und bei Berührung für eine geringere Cortisolausschüttung. Sie heilt den, der sie gibt und auch den, der sie empfängt!
Die Neugier und Erkundung sorgt für eine Dopaminausschüttung im präfontalen Kortex und erzeugt eine lernoffene Haltung im Gehirn.
Das Spiel und die damit verbundene Freude bildet das Gehirn, wie evolutionsbiologische Forschungen belegen. Es fördert Humor, Spaß und Lachen und bringt körperliche Aktivierung.
Das Fazit dieses mutidimensionalen Vortrags bestätigt mir mehr als die Forschungsergebnisse aus der MFT: Vielfalt fördert Gesundheit, während Isolation Entzündungswerte mit Rückzugstendenzen erhöht!
Es geht weiter mit dem nächsten spannenden Vortrag von Heiner Ellebracht zu dem Thema „Komplexität in MFT und Organisationsentwicklung“. Ich erfahre etwas über das Wissenszeitalter, in dem wir uns befinden, der Zeit globaler Märkte.
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Nach der Mittagspause begann der vierte Vortrag mit Ben Furman und seinem Titel „Das glückliche Familien – Spiel und andere lösungsfokussierte Aktivitäten zur Verbesserung des Wohlbefindens in Familien“. Ich arbeite oft mit seinem Ich – Schaff`s Programm und durfte ihn schon mehrmals vortragend und im Workshop erleben. Auch dieses Mal machte es mir großes Vergnügen, ihn zu erleben in seiner humorvollen, leichten, spielerischen und nahbaren Art. Er ließ uns nach einer Inspiration von der Neugestaltung des Spiels „Flaschendrehen – mit Komplimenten“ direkt mit unseren Sitznachbarn in Kontakt kommen und uns in Triple – Loben üben.
Ben Furman zeigte uns seine Fähigkeit, komplexe Dynamiken und Themen mit Hilfe längst bekannter und beliebter Spielideen reduziert und nachvollziehbar zu utilsieren für die MFT.
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Der Tag klang aus mit einer Schiffahrt auf dem Baldeneysee von Essen Werden nach Essen Kupferdreh bei schönem Wetter. Nach dem Tag voller Inspiration, gemeinsamem Lernen und Begegnen ging es weiter mit guter Stimmung und allen Sinnen.
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Freitag morgen begann der Tag mit Emma Morris aus London und ihrem Vortrag „Intercultural Multi – Family – Therapy“.
Emma Morris begeisterte mich mit ihrer Authenzität und ihrer spürbaren Lust in komplexen Feldern zu arbeiten. Sie liebt Herausforderungen und beschreibt aus ihrer praktischen Erfahrung in interkulturellen MFT – Kontexten vier Challenges:
1. Die Sichtweite ist eingeschränkt, wir können wie bei dem Eisberg – Modell nur die Oberfläche sehen, also nur einen sehr kleinen Teil.
2. Die Landschaft verändert sich beständig durch die permanent miteinander agierenden Teile.
3. Manchmal müssen wir Off-?Road gehen, um Scham und Stigmatisierung zu reduzieren. Wir müssen herausfinden, was die Familien eint.
4. Wir müssen uns auf fremdes und potentiell gefährliches Gebiet begeben, also Vorurteile und Bewertungen testen.
Emma Morris macht auf eine sanft webende Art in ihrem Vortrag deutlich: Das analoge Arbeiten inmitten der Komplexität und Diversität von interkultureller MFT, das Einsetzen von Metaphern und Geschichten, die zeit-? und grenzenlose tiefe Bedeutung zwischenmenschlicher Themen und Sehnsüchte auf der ganzen Welt hilft uns miteinander über Kulturen zu sprechen und repräsentiert einen sicheren Weg des Navigierens!
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Filip Caby reflektierte in seinem Vortrag über die Frage „Was lange währt, wird endlich gut? Die Geschichte von einem siamesischen Zwilling, den man besser nicht trennt: das Reflektieren und die MFT.“
Er nahm uns zunächst mit in die Kunst des Verstehens der Hermeneutik und damit auch in den hermeneutischen Zirkel der Erkenntnis, dass ich beim Anschauen ein Bild habe und beim erneuten Anschauen schon etwas anderes sehe.
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Am Ende dieser Tagung gab es nun zum guten Schluss auch noch die Möglichkeit, im Plenum miteinander zu reflektieren, wie wir alle die letzten drei Tage fanden, bevor wir einen musikalisch untermalten Zusammenschnitt der Tagungsfotos schauen durften. Wer hat das denn so schnell gemacht? Super!
Für mich persönlich war es eine sehr bereichernde Tagung, gut gerahmt von freundlichen Heinzelmännchen, die für das leibliche Wohl, die Liegestühle in den Pausen, die Betreuung der Workshopreferenten und das sichere Geleit zum Schiff sorgten. Von Anfang bis Ende spürte ich die multisystemische Vielfalt, sowohl in der triadischen Planung und Organisation, als auch in der Auswahl von spannenden, berührenden und lehrreichen Vorträgen und Workshops. Ein großes Dankeschön für diesen Tagungsraum, der die Pflege von bereits bestehenden und das Knüpfen von neuen Vernetzungen im Gehirn und zwischen Menschen möglich gemacht hat!