Einige Anmerkungen zur Systemischen Therapie
Die Systemische Familientherapie ist in den vergangenen Jahren zu einem der anerkanntesten therapeutischen Ansätze in Deutschland und Europa geworden. Sie gilt heute für viele Problemsituationen und Konflikte in Familien und bei vielen psychiatrischen Symptomen von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen, als das Mittel der Wahl. Die Effektivität, die Lösungsorientierung, das Ansetzen im Hier und Jetzt der Klienten, die Ressourcenorientierung und die geringe Sitzungsfrequenz und damit die geringen Kosten sind nur einige Gründe für die Popularität. Seit Dezember 2008 ist die systemische Therapie vom Wissenschaftlichen Beirat für Psychotherapie wissenschaftlich anerkannt. Im November 2019 erfolgte endlich auch die sozialrechtliche Anerkennung der Systemischen Therapie. Seit diesem Zeitpunkt ist die Abrechnung systemischer Psychotherapie für Erwachsene auch über die Gesetzlichen Krankenkassen möglich.
Problembeschreibungen, in denen systemische Therapie / Familientherapie angezeigt ist:
- Eltern mit einer sehr belastenden Paar- oder Individualproblematik, die dadurch erkennbar wird, dass die Verantwortlichkeit und der Blick der Eltern für die Kinder verloren geht und diese so nicht die notwendige Aufmerksamkeit und Unterstützung bekommen
- fehlender Rahmen oder fehlende Orientierung für die nötige Sicherheit, um eine positive Entwicklung der Kinder und Jugendlichen gewährleisten zu können
- Prinzip der Mehrgenerationenproblematik mit Wiederholungen von Problemen (Gewalt, Alkohol, Vernachlässigung, etc.), die in der Ursprungsfamilie der Eltern bereits ihre traditionelle Verankerung hatten (hierbei ist eine begleitende Hilfe gerade für junge Familien bedeutsam)
- mangelnde Bindungsstärke und Bindungsfähigkeit: Eltern, die bereits in ihren Herkunftsfamilien nicht sicher gebunden waren, können ihren Kindern nicht die notwendige Bindungssicherheit geben, was nicht selten zu körperlicher und seelischer Vernachlässigung führt. Mangelnde Bindungserfahrungen führen zu einer erhöhten Vulnerabilität für Traumafolgestörungen.
- Innerfamiliäre Traumatisierung durch Gewalt, Alkohol, Vernachlässigung und sexuelle Gewalt führt bei Kindern und Jugendlichen zu deutlichen Symptomen wie körperlichen und seelischen Entwicklungsstörungen, Schulschwierigkeiten, einem Pseudo-„ADHS“, Essstörungen, Problemen im Sozialverhalten und vielen anderen Traumafolgestörungen.
- Trennungs- und Scheidungssituationen stellen für viele Kinder und Jugendliche problematische Situationen dar, in denen sie besondere Unterstützung und Hilfe benötigen.
- Besonders in zusammengesetzten Patchwork - Familien kommt es oft dazu, dass die Aufmerksamkeit und Zuwendung für die Kinder ungleich verteilt wird, es entsteht Konkurrenzverhalten und Ausschluss, sowie Ausgrenzung.
- Emotionale Störungen und Defizite Einzelner wirken sich negativ auf die Beziehungsstrukturen im familiären System aus. Hierdurch werden Spannungen erzeugt, die sich belastend auf das familiäre Klima auswirken.
- Verwischungen von Lebensgrenzen und Generationskonflikte zwischen Kindern und Jugendlichen und deren Eltern lassen erwarten, dass sich aggressive Verhaltensweisen entwickeln, die dazu führen können, dass Konflikte zwischen Kindern und Eltern auf unerwünschten Ebenen ausgetragen werden.
- Kinder, die wenig Perspektiven für sich entwickeln können, verlieren Grundhaltungen, z. B. bezüglich des regelmäßigen Schulbesuchs. Sie setzen sich häufig außerhalb der Familie zur Wehr. Ihr Sozialverhalten führt zu einer ausgeprägten Gefährdung im sozialen Umfeld für sich selbst und für andere.
- u.v.m.
Studien haben gezeigt, dass Systemische Therapie bei vielen unterschiedlichen Symptomen und Problemen angezeigt ist. Familien und ihre Mitglieder benötigen in diesen und anderen Situationen besondere Unterstützung und Hilfsangebote, um ihre Ressourcen wieder zu entdecken, zu stärken, Lösungen für ihre Lebenssituation zu entdecken, Symptome zu heilen, bei Entwicklungsdefiziten nachzureifen. Es geht darum, Eltern bei ihrer Erziehungsaufgabe und in ihrer elterlichen Präsenz zu stärken, damit sie dadurch nicht zuletzt auch eigene Lebenshoffnung wiederfinden.