Die nationalen Parlamente müssen EU-Richtlinien in nationales Recht umsetzen. Das gilt auch für eine Richtlinie (Mehrwertsteuersystemrichtlinie), die zum Ziel hat, Bildung für alle Verbraucher:innen von der Umsatzsteuer zu befreien, da Bildungsleistungen dem Gemeinwohl dienen. Seit 1977 hat der Bundesgesetzgeber das in Bezug auf Bildung aber noch immer nicht europarechtskonform umgesetzt. So kam im Februar 2024 eine Rüge der EU-Kommission und die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zustande. Der Bundesgesetzgeber muss jetzt zeitnah handeln. Und so hat die Bundesregierung im vergangenen Juli dazu einen Gesetzesentwurf zu § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz (im Jahressteuergesetz 2024) vorgelegt, der leider mit „heißer Nadel gestrickt“ wurde und nicht zielführend ist. Dieser aktuelle Gesetzesentwurf aus dem BMF ist problematisch, da er die EU-Vorgaben nicht 1:1 umsetzt, sondern viele Ausnahmen, weitergehende Bürokratisierung und neue Rechtsunsicherheiten schaffen würde. Vor allem käme die Befreiung aber nicht bei den beabsichtigten Zielgruppen an: • Menschen, wie Arbeitnehmer:innen, Familien, Kinder und Jugendliche, die bei Ausgaben die Umsatzsteuer nicht vom Finanzamt zurückerstattet bekommen (kein Vorsteuerabzug), würden ab Januar 2024 zusätzlich 19 % für Bildung ausgeben müssen. • Berufliche Bildung (Ausbildung, Fortbildung und Umschulung), privat erteilter Musik- und Tanzunterricht, Nachhilfe etc. würden sich in vielen Fällen verteuern, auch weil freiberufliche Dozent:innen nach dem Regierungsentwurf nicht mehr von der Umsatzsteuer befreit werden sollen. • Die Verteuerung von 19 % würde ausgerechnet viele soziale Einrichtungen treffen, die nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, obwohl gerade dort oft knappe Finanzbudgets für Bildung zur Verfügung stehen. • Für viele Systemiker:innen würde es in ihrer Arbeit bürokratischer, weil Fortbildung umsatzsteuerrechtlich anders behandelt würde als Ausbildung und Umschulung. Die Abgrenzung ist aber rechtssicher nicht möglich und es käme bei vielen Selbstständigen zu hohen Nachzahlungen, die bis hin zu Insolvenzen führen dürften. • Die seit 2014 mögliche Umsatzsteuerbefreiung von Supervision wäre mit diesem Entwurf wieder infrage gestellt und es wäre nicht mehr klar, ob bestimmte Supervisionsleistungen mit der Neuerung nach wie vor befreit bleiben. So würden große Summen aus den Mitteln der Jugendhilfe bei Bildung und Supervision über die Umsatzsteuer an den Bund abfließen. Um diese Auswirkungen zu verhindern, fordern zahlreiche Verbände: • Die Umsatzsteuerbefreiung bei Bildung und Erziehung muss umfassend beim Endverbraucher (Privatpersonen und Organisationen ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit) ankommen. • Große Bildungsunternehmen, die vorsteuerabzugsberechtigt sind und deren Kunden Unternehmen sind mit Vorsteuerabzug dürfen nicht statt der Endverbraucher gefördert werden. • Einem Fortschreiten an Ausnahmen bei der Umsatzsteuerbefreiung muss entgegengewirkt werden: Berufliche Bildung muss ohne Ausnahme befreit bleiben, also Ausbildung, Fortbildung und Umschulung müssen in gleicher Weise behandelt werden. • Auch gewinnorientierte Bildungsanbieter, wie etwa Freiberufler, müssen von der Umsatzsteuer befreit bleiben, da die Vergünstigung nur so auch bei allen Endverbrauchern ankommen kann. • Eine angemessene Befreiung von Bildung ist nur unter Beibehalt des bewährten Bescheinigungsverfahrens durch fachlich qualifizierte Landesbehörden möglich, die die Befreiung vorab prüfen. Bescheide durch das Finanzamt im Nachhinein würden zu großer Rechtsunsicherheit und unangemessenen Einstufungen führen. • Da es sich bei Bildung und Erziehung um die Kulturhoheit der Bundesländer handelt, dürfen diese nicht umgangen werden. Außerdem ist die Änderung im Umsatzsteuergesetz zustimmungspflichtig durch den Bundesrat. So sollten die Länder über den Bundesrat darauf hinwirken, dass die Landesbehörden für eine umfassende Bildungsbefreiung sorgen können, da dies Ziel der EU-Richtlinie ist. |