Problematischer Regierungsentwurf zu § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz (UStG.) aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) vom Juni diesen Jahres ist verhindert worden
Am vergangenen Freitag, dem 18.10.2024 wurde vom Deutschen Bundestag das Jahressteuergesetz 2024 verabschiedet. Damit ist der problematische Regierungsentwurf zu § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz (UStG.) aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) vom Juni diesen Jahres Geschichte. Die Forderungen zweier Positionspapiere von insgesamt 38 Verbänden und einer Petition mit 105.010 Unterstützenden wurden damit weitgehend umgesetzt:
Verhindern konnten wir in § 4 Nr. 21 UstG. gegenüber dem Regierungsentwurf von Juni 2024:
- Das Bescheinigungsverfahren bleibt erhalten.
- Die geplante bürokratische Unterscheidung von Ausbildung versus Fortbildung ist gestrichen.
- Damit kommt auch kein neues Kriterium einer Gewinnerzielungsabsicht.
- Die selbstständigen Lehrenden (Honorarkräfte) bleiben wie bisher ausdrücklich durch den Gesetzeswortlaut befreit.
- Damit verteuert sich Weiterbildung ab 2025 nicht.
Darüber hinaus konnten wir erreichen:
- Der Text der Bescheinigung nach § 4 Nr. 21 UStG: a) bb) wird inhaltlich ausgeweitet. Bisher hieß es: „wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“. Ab 01.01.2025 soll es heißen, „wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen“.
- Damit werden ab 2025 bundesweit auch Fortbildungen von der Umsatzsteuer befreit, wodurch Weiterbildung weitergehend als bisher von der Umsatzsteuer befreit wird.
- Privatlehrer:innen werden erstmals auch als befreit genannt (Forderung der EU-Kommission), worauf sich Coaches und Supervisor:innen unter bestimmten Voraussetzung berufen können. Damit verringert sich in diesen Fällen die anzurechnende Summe des Gesamtumsatzes bei Kleinunternehmen, da nach § 19 Abs. 3 UstG. die Umsätze nach § 4 Nr. 21 UStG. auszunehmen sind. Bislang war das nicht möglich, da man sich bei der Befreiung für Coaching/Supervision bis einschließlich 2024 nur unmittelbar auf die EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen konnte.
Wir haben uns auch für die Interessen anderer Bildungsleistungen eingesetzt und nicht nur für systemische Weiterbildung. Schließlich ist es für Menschen in Beratung, Therapie oder in Krisen wichtig, dass sie sich sinnvolle Tätigkeiten wie Bildungsmaßnahmen leisten können. Beim Musik- und Tanzunterricht ist die Rechtslage etwas komplizierter als bei beruflichen Weiterbildungen. In dem musischen Feld muss aufgrund von Gerichtsentscheidungen eine rechtssichere Abgrenzung von Musik- und Tanzunterricht gegenüber reiner musikalischer oder tänzerischer Freizeitgestaltung erfolgen. Deshalb hat der Bundesrat gefordert, dass auf dem Wege eines Einführungsschreibens des Bundesfinanzministeriums eine Klarstellung erfolgen soll, um Musik- und Tanzunterricht auch in der tatsächlichen Praxis rechtlich abzusichern.
Das Streiten um gute politische Lösungen hat sich gelohnt. Allen, die sich mit Briefen, Mails oder persönlich an Abgeordnete, Landesregierungen oder Ministerien gewendet haben oder die Petition „Qualifizierter Musikunterricht muss umsatzsteuerfrei bleiben!“ unterstützt haben, sei hiermit herzlich gedankt! |
Der konstruktive Protest ist bei den politischen Entscheidungsträgern angekommen und wurde ernst- und aufgenommen, wie der nachfolgende Redebeitrag im Bundestag zeigt.
MdB Tim Klüssendorf von der SPD-Fraktion, der zusammen mit zwei weiteren Berichterstattern der beiden anderen Regierungsfraktionen aus dem Finanzausschuss mit diesem Spezialthema betraut ist, hat sich in der Plenarsitzung des Bundestages am 18.10.2024 ausdrücklich für unsere politischen Aktivitäten bedankt:
„Besonders bedanken möchte ich mich in dem Zusammenhang auch für das Engagement, das hinter dieser Petition steckt. Und auch hinter den vielen Eingaben, die wir in den letzten Wochen und Monaten bekommen haben. Ganz besonders in aller vorderster Linie waren das Frau Saegeler, Herr Werner, Herr Wenzel, die mit uns gemeinsam über viele Stunden und Tage diskutiert haben, die uns auch gute Vorschläge unterbreitet haben, wie man vielleicht auch zukünftig das Gesetz noch besser machen kann. Ich glaub mit diesem minimalinvasiven Eingriff, den wir heute jetzt machen, ist natürlich die Debatte nicht beendet. Wir müssen uns weiter darum kümmern, dass die Umsatzsteuer für Bildungsleistungen wirklich rechtssicher gestaltet wird. Das wird sicherlich in weiteren Gesetzesverfahren auch immer wieder eine Rolle spielen.“
Quelle: Direktlink: https://dbtg.tv/cvid/7617351 bzw. https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7617351#url=L21lZGlhdGhla292ZXJsYXk/dmlkZW9pZD03NjE3MzUx&mod=mediathek (Videobeitrag: Rede Klüssendorf, Min. 1:30 bis 2:20)
Neufassung zum 01.01.2025 (vorbehaltlich Zustimmung durch Bundesrat)
Änderungen in neuer Fassung ab 2025 sind fett hervorgehoben:
21. a) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienendenLeistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen,
aa) wenn sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder
bb) wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringen,
b) die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer
aa) an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder
bb) an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen,
c)Schul- und Hochschulunterricht, der von Privatlehrern erteilt wird.
Für die in den Nummern 15b und 15c bezeichneten Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht.
Kooperation trägt Früchte
Im Systemischen ist Kooperationsorientierung eine zentrale Grundhaltung. Das gilt auch für gesellschaftlich-politisches Engagement. Auch bei der Umsatzsteuer hat sich gezeigt, dass es durch Kooperation realisierbar ist, über die eigenen Möglichkeiten hinaus, wirksam zu werden. In diesem Fall war es zunächst die Kooperation mit Dr. Andreas Lutz, dem Vorstandsvorsitzenden des Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) und Jörn Freynick, dem Koordinator der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV). Dadurch haben sich weitergehende Allianzen für eine umfassende Förderung von Bildung entwickelt, indem mit 37 Verbänden in die gleiche Zielrichtung gearbeitet wurde. Hinzu kam daraufhin die Zusammenarbeit mit der Petentin Saskia Saegeler, die mit ihrer Petition am Beispiel Musikunterricht ebenso auf die fatalen Folgen des geplanten Regierungsentwurfs öffentlichkeitswirksam aufmerksam gemacht hat.
Bislang ist die DGSF bereits in vielen Politikfeldern gestaltend tätig, so beispielsweise in der Kinder- und Jugendhilfe (z. B. bei Gesetzesänderungen im SGB VIII), und im Gesundheitsbereich (z. B. bezüglich SGB V). Mit den neuen Kooperationspartnern kann die DGSF auch in weiteren Politikfeldern aktiv werden, etwa um dazu beizutragen, dass sinnvolle fachliche Rahmenbedingungen für Weiterbildung gesetzlich verankert werden.
Weitere Herausforderungen
Bei dem Erreichten darf es nun allerdings nicht bleiben, da die rechtlichen Rahmenbedingungen für berufliche Weiterbildung auch in anderen Bereichen problematisch geworden sind. Als Stichwort sei hier das Thema „Scheinselbstständigkeit“ genannt. Die etablierte Infrastruktur kooperativer Zusammenarbeit zwischen Instituten und freiberuflichen Honorarkräften wird nämlich auch durch sozialrechtliche Feststellungsbescheide der Deutschen Rentenversicherung (DRV) torpediert. Auch hier gilt es für fachlich angemessene Rahmenbedingungen zu sorgen. Ziel ist es in Deutschland eine vielfältige und qualitativ hochwertige Bildungsinfrastruktur zu erhalten und weiterzuentwickeln, so dass sich die Menschen Bildung auch leisten können.
Hintergrundinformationen zum Jahressteuergesetz 2024
# Meldung vom 12.10.24 # Meldung vom 12.10.24 # Meldung vom 12.10.24 #
Inzwischen wurde vor dem Deutschen Bundestag die Petition „Qualifizierter Musikunterricht muss umsatzsteuerfrei bleiben!“ der Sängerin und Gesangslehrerin Saskia Saegeler (Mitglied im Bundesverband Deutscher Gesangspädagogen) an zwei Abgeordnete und Mitglieder des Finanzausschusses übergeben!
Die Petition wurde innerhalb weniger Wochen von 105.010 Personen unterzeichnet.
[Quelle: https://dgsf.org/]
Sowohl die DGSF, wie auch der Deutschen Musikrat e.V. haben in ausführlichen Pressemitteilungen darüber berichtet
Meldung der DGSF: https://dgsf.org/aktuell/news/dgsf-fordert-bildungsangebote-muessen-umsatzsteuerfrei-bleiben
Pressemeldung des Deutschen Musikrat e.V.: https://www.musikrat.de/fileadmin/redaktion/news/2024/10_2024/DMR_PM_Qualifizierter_Musikunterricht_muss_umsatzsteuerfrei_bleiben_.pdf
Impressionen von der Petitionsübergabe: www.instagram.com/reel/DA6I-cnIQru/?igsh=MW1qYzVsamdkdHFtYQ==
# Meldung vom 09.10.24 # Meldung vom 09.10.24 # Meldung vom 09.10.24 #
Erste gute Nachrichten zur Umsatzsteuerbefreiung bei Bildung
Die Regierungsfraktionen haben im Bundestag bereits positive Signale gesetzt. Die Schreiben von besorgten Systemiker:innen und Mitgliedern von insgesamt 38 Verbänden, die kritische Positionspapiere veröffentlichten, haben offensichtlich Wirkung gezeigt. In der Plenarsitzung des Bundestags wurde am 25.09.2024 von den vielen Briefen und Mails berichtet, die die Abgeordneten erreicht haben. Tim Klüssendorf (SPD) hat in der Sitzung Änderungsanträge der Koalitionsparteien angekündigt, die in Zielrichtung der Positionspapiere und der Petition gehen sollen:
„Wir werden die Neuregelung der Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsleistungen, wie sie im Entwurf angelegt ist, so nicht beschließen. Wir nehmen die Unsicherheit über die vollumfängliche Fortführung der bisherigen Umsatzsteuerbefreiung, die momentan da ist, wahr und werden dementsprechend einen neuen Paragrafen dazu vorschlagen. Das bedeutet, dass wir nur minimalinvasiv das umsetzen, was europarechtlich geboten
ist. Alle zusätzlichen Erläuterungen und Klarstellungen, die gemacht werden sollten, wird der Gesetzentwurf nicht mehr enthalten, der am Ende den Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Lesung erreichen wird. Ganz klar und deutlich: Mit uns wird es keine Verteuerung und keine Verschlechterung geben, gerade was den Bereich der Musik- und Tanzschulen, aber auch was den gesamten Bereich der Bildungsleistungen angeht. Das ist das Signal, das heute schon in der ersten Lesung gesendet wird.“ (Tim Klüssendorf am 25.09.2024)
Quelle: Protokoll der Bundestagssitzung https://dserver.bundestag.de/btp/20/20187.pdf
Nun gilt es abzuwarten und zu hoffen, dass diese Signale auch umgesetzt werden. Das wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Dabei werden wir den begonnenen Gesetzgebungsprozess kritisch begleiten. Unser Leitungsteammitglied Joachim Wenzel wird in Berlin mit dabei sein, wenn die 105.010 Unterschriften der oben genannten Petition übergeben werden.
# Meldung vom 29.08.24 # Meldung vom 29.08.24 # Meldung vom 29.08.24 #
Systemische Verbände gegen Steuern bei (Weiter-)Bildung |
Die systemischen Verbände SG, DGSF und VfSP wenden sich in einem gemeinsamen Positionspapier vom 29.08.2024 gegen einen aktuellen Regierungsentwurf, wonach Bildung sich verteuern würde. Die Änderung des § 4 Nummer 21 Umsatzsteuergesetz träfe nicht nur Teilnehmer:innen systemischer Weiterbildungen sondern auch die Klient:innen systemischen Arbeitens, die sich weiterqualifizieren oder sich oder ihre Kinder musisch bilden möchten.
Das gemeinsame Positionspapier ist als PDF abrufbar unter: https://dgsf.org/presse/pressemitteilungen/20240829-gemeinsames-postitionspapier-bildung-nicht-verteuern_final.pdf/@@download/file
Wer dieses Anliegen aktiv unterstützen möchte, kann sich an die Bundes-/Landtagsabgeordneten des eigenen Wahlkreises und an Abgeordnete der zuständigen Ausschüsse Bildung, Jugend, Kultur und Finanzen wenden. Bei Landtagsabgeordneten sollte neben der inhaltlichen Kritik am Entwurf der Bundesregierung noch der Hinweis erfolgen, dass das Land über den Bundesrat zustimmungspflichtig und dabei die Kulturhoheit des Landes betroffen ist. Das bewährte Bescheinigungsverfahren durch eine Landesbehörde würde sicherstellen, dass Bildung umfassend befreit bleibt. |
Weitere Hintergrundinformationen und ein Positionspapier von weiteren 35 Verbänden sind beim Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) zu finden: https://www.vgsd.de/35-verbaende-unterzeichnen-positionspapier-gemeinsamer-einsatz-fuer-bezahlbare-bildungsangebote/
Wir unterstützen ausdrücklich auch die Petition „Qualifizierter Musikunterricht muss umsatzsteuerfrei bleiben!“
Eine virtuelle „Unterschrift“ kann auf der Plattform von openPetition erfolgen:
https://www.openpetition.de/petition/online/qualifizierter-musikunterricht-muss-umsatzsteuerfrei-bleiben
Ebenso hilfreich wie eine Unterschrift, ist es darüber hinaus, andere auf diese Petition hinzuweisen, sei es per E-Mail oder soziale Medien wie WhatsApp (z. B. per „Status-Meldung“ unter „Aktuelles“), Instagram, Facebook, XING oder LinkedIn.